11 oder ‚Guten Tag‘ wird nicht reagiert, statt- dessen wird einem mufflig die Ware aus der Hand gerupft.‚Piep‘,piept die Scannerkas- se und währenddessen nölt die Kassenkraft quer zur nächsten Angestellten rüber „Frau Garbisch, ich mach dann gleich Mittach!“ Dann streckt sie einem die geldgeile Kralle entgegen, ohne den zu zahlenden Betrag zu nennen, und hängt mit dem Oberkör- per weiter schief nach hinten, um Frau Garbischs Antwort zu empfangen. Man hält ihr das Geld hin, doch sie nimmt es nicht, denn sie sieht es nicht, sie sieht nach Frau Garbisch. „Frau Gehrmann war schon - Ach, Herr Ackermann is grad? – Kannste trotzdem gleich mal Kasse machen, ich muss mal auf 17!“ quasselt sie weiter mit der Kol- legin und glaubt, die Bedeutung des Ver- kaufspersonal-Codes ‚auf 17‘ sei keinem bekannt, der nicht zum Personal gehört. Dann endlich wirft sie einen Seitenblick auf das Geld, das man ihr seit geraumer Zeit hinhält, nimmt es, rückt Wechselgeld und Ware heraus und scheint auch das provokanteste ‚Einen schönen Tag noch‘ nicht wahrzunehmen – nicht als Kritik und auch nicht,um etwas zu erwidern.Oft kennt das Verkaufspersonal auch nicht den Unterschied zwi- schen Beratung und Belehrung und bewegt sich unpassenderweise im Bereich der letzteren. Viele mögen das aber nicht,wenn man sie zu belehren versucht.Äußerst unangebracht scheint es, wenn man gar eine fachlich fortgeschrittene Frage gestellt hat, und der Fürdummverkäufer trotzdem erstmal anfängt einem Dinge zu erzählen,die man – wie aus der Frage ersichtlich war – längst weiß. Und auch wenn man tatsächlich nach ganz basalen, für den Verkäufer vielleicht gar banalen Dingen fragt, möchte man die erklärt bekommen, und nicht wie ein 16-jähriger Lehrling von oben herab zurechtgewiesen werden. Auch das Anherrschen ist, wie im richtigen Leben, nur dann angebracht, wenn sich das Ge- genüber unpassend verhält, nicht aber schon, wenn ein Kunde erfragt, wo er die H-Milch finden kann. Schwach tröstlich kamen einmal die Worte einer Netto-Kassiererin daher: eine nach langem Anstehen zum Bezahlen vorgerückte Kundin bat die Kassenkraft angesichts der beträchtlich langen Warteschlange darum,die Öffnung einer zweiten Kasse zu veranlassen.Die Kassiererin erklärte daraufhin entschuldigend,dass ihr dasTabakwarenregal die Sicht auf die Warteschlan- ge versperre, und dann fügte sie hinzu: „Das ist nicht immer nur böse Absicht!“ Wie schön! Je einzelner allerdings der Einzelhandel, desto übler das Betragen der Verkäufer gegenüber der potentiellen Kundschaft. Da, wo der Einzelhändler persönlich den Tag im Verkaufsraum seiner Existenzgrundlage verbringt, schlägt einem kaum zu überbietende Ablehnung schon beim Betreten des Ladenlokals entgegen. AZ_TIGOE_SO_62,3x93,7_DRUCK.indd 1 10.07.15 10:08 AZ_TIGOE_SO_62,3x93,7_DRUCK.indd 110.07.1510:08