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SÜD-OST Aug|Sep 2015

21 ein besseres Verständnis ihrer eigenen see- lischen Verfassung erhofft. Mit Feuereifer besucht sie Freuds Vorlesungen und Dis- kussionsrunden an der Wiener Universität. Wissensdurst und ausgeprägte Neugier an menschlichen Verhaltensweisen lassen sie zu einer hochgeschätzten Schülerin und Diskussionspartnerin werden. Schließlich rät ihr Mentor ihr sogar zum Beruf der Psychoanalytikerin. Bereits im Jahr 1915 eröffnet Andreas-Salomé in ihrem Göttin- ger Wohnhaus die erste psychoanalytische Praxis der Stadt. 1921 wird sie Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung. Auf Bitten Freuds geht sie drei Jahre später für ein halbes Jahr nach Königsberg,um dort als Lehranalytikerin zu arbeiten.Fünf Ärzte absolvieren eine Lehranalyse bei ihr. Eine Ausbildung, die sie als Autodidaktin selbst nie durchlaufen hatte. Im Gegensatz zu ihrer lebenslangen geis- tigen Stärke ist ihr Körper stets anfällig für Krankheiten gewesen. Mit zunehmendem Alter wird sie schwächlich und herzkrank und muss mehrmals stationär behandelt werden. Ihr Ehemann Friedrich Carl steht ihr hierbei auch nach 40 Jahren Ehe voller Eifersucht und Kränkung und trotz eige- ner Krankheit stützend zur Seite, bevor er 1930 an einem Krebsleiden stirbt. Sei- ne Frau folgt ihm am 5. Februar 1937. Sie stirbt im Schlaf. Entgegen ihres Wunsches wird Andreas-Salomés Urne nicht im Gar- ten des gemeinsamen Göttinger Anwesens beerdigt; stattdessen wird sie im Grab ihres Gatten auf dem hiesigen Stadtfriedhof bei- gesetzt. Nur wenige Tage nach ihrem Tod wird auf Anordnung der Gestapo ihre ge- samte Bibliothek konfisziert.Psychoanalytik galt in Nazi-Deutschland als „jüdische Wis- senschaft“. Heute erinnern der Lou-Andreas-Salomé- Weg, ein Gedenkstein am einstigen Wohn- haus und das „Lou Andreas-Salomé Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie“ an die imposante Mitbürgerin. Mit ihren For- schungen und Werken in den Bereichen Literatur, Religionswissenschaften und Psy- choanalytik hat Lou Andreas-Salomé einen wesentlichen Beitrag zur deutschen Kultur- geschichte und damit zur Entwicklung der Moderne um 1900 geleistet. Ein Grund mehr, sich im Göttinger Ostviertel auf ihre Spuren zu begeben.(lb) Lou-Andreas-Salomé-Weg (Foto: db)

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